Die Pharmaindustrie steht an der Schwelle zu einer neuen Ära: Künstliche Intelligenz (KI) ist dabei, nicht nur zu einem integralen Bestandteil der Forschung und Entwicklung zu werden, sondern auch die gesamte Branche grundlegend zu transformieren. Bei einem großen Branchentreffen in San Francisco, das von der Großbank JP Morgan organisiert wurde, ließen die Vertreter der Pharmakonzerne keinen Zweifel daran, dass die Zukunft des Gesundheitswesens eng mit der fortschreitenden Integration von KI-Technologien verknüpft ist.
Sanofi-Chef Paul Hudson etwa betonte die zentrale Rolle von KI und Daten in der Entscheidungsfindung seines Unternehmens. Mehr als 11.000 Mitarbeiter nutzen täglich KI, um bessere Entscheidungen zu treffen. Diese Entwicklung ist dabei nicht auf einzelne Unternehmen beschränkt. Vielmehr zeigt sich ein branchenweiter Trend, der die Grenzen zwischen Pharmaunternehmen und Technologiefirmen zunehmend verwischt.
McKinsey schätzt, dass generative KI eine zusätzliche Wertschöpfung von 60 bis 110 Milliarden Dollar für die Pharma- und Medizintechnikbranche generieren könnte. Die Technologie ermöglicht eine effizientere Durchsuchung von Studien und Patentinformationen, was wiederum Forschung und Kommerzialisierung beschleunigt. In Deutschland hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach bereits einen Referentenentwurf für ein Medizinforschungsgesetz vorgelegt, um Investitionen in diesem Bereich zu fördern.
Auch die Hardware-Industrie ist in diesen Transformationsprozess involviert. Nvidia, ein führender Chip-Hersteller, sieht großes Potenzial in der Arzneimittelforschung und bietet Chips an, die mit spezieller Software für Gesundheitsanwendungen optimiert sind.
Biontech-CEO Uğur Şahin verfolgt das ambitionierte Ziel, sein Unternehmen in einen KI-Konzern zu verwandeln, was durch den Kauf des KI-Startups InstaDeep vor rund einem Jahr unterstrichen wurde. Die Firma strebt danach, in Supercomputing, KI-Forschung und generativer KI Weltklassefähigkeiten zu erlangen. Auch Moderna, bekannt für die schnelle Entwicklung eines mRNA-Impfstoffes gegen Covid-19, sieht sich zunehmend als Realtime-KI-Firma, in der KI in allen Unternehmensabläufen integriert ist.
Die Fortschritte in der KI könnten auch zu einer beschleunigten Entwicklung von Impfstoffen führen, wie Lauterbach auf der Data for Health Conference im Juni 2023 darlegte. Allerdings warnen Vertreter der Zivilgesellschaft und Sicherheitsexperten vor potenziellen Gefahren, die mit dem vermehrten Einsatz von KI und Daten einhergehen könnten, insbesondere im Hinblick auf den Datenschutz.
Die Pharmabranche befindet sich offensichtlich auf dem Weg, eine KI-Industrie zu werden. Die fortschreitende Digitalisierung und der Einsatz künstlicher Intelligenz haben das Potenzial, die Entwicklung neuer Medikamente zu revolutionieren und die Effizienz bestehender Prozesse signifikant zu steigern. Dieser Umbruch birgt jedoch auch Herausforderungen, insbesondere in Bezug auf ethische Standards und den Schutz persönlicher Daten. Die Zukunft wird zeigen, wie sich diese Dynamik auf die Gesundheitsversorgung und die Gesellschaft als Ganzes auswirken wird. Fest steht jedoch, dass KI das Potenzial hat, die Pharmaindustrie in ein neues Zeitalter zu führen.